Mordlust mit Musik

Zuletzt habe ich über Träume geschrieben, über Alb- und Wunschträume. Manchmal träumt man und wünscht sich, man würde endlich aufwachen. Bisweilen ist es auch andersherum, man wünscht sich, man würde träumen, weil man die Realität für zu unglaublich hält, um wahr zu sein. So ging es mir, als ich hörte, daß der Rapper Massiv aus Berlin-Neukölln mit Unterstützung des Goethe-Instituts, des französischen, des britischen und des dänischen Kulturinstituts und des britischen Generalkonsulats in Jerusalem gemeinsam mit palästinensischen Rappern im Rahmen der „European-Palestinian Hip Hop Concert Tour“ durch die Westbank reist und etwa bei seinem Auftritt in Ramallah am letzten Donnerstag – seinem Pseudonym gerecht werdend – massiv Hetze gegen Israel betreibt. Leute, die bei diesem Konzert anwesend waren, berichteten mir, daß Musiker auf der Bühne in Hisbollah-Kluft auftraten und, ganz funky und groovy und unter dem Jubel des Publikums, gegen die „zionistischen Besatzer“ rappten.

Inzwischen hat sich das Goethe-Institut halbherzig von dem Rapper Massiv distanziert, nachdem es Kritik an seinen Auftritten im Westjordanland gegeben hatte, unter anderem von dem FDP-Bundestagsabgeordneten Markus Löning. Löning störte sich daran, daß der Rapper in seinen Stücken Gewalt verherrliche. „Es ist mir ein absolutes Rätsel, wie das Goethe-Institut auf die Idee kommen konnte, Auftritte eines solchen Rappers in dieser von Gewalt zerrissenen Region mit staatlichem Geld zu unterstützen“, sagte Löning laut dpa.

Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts, beharrt trotzdem darauf, daß „Aspekte der Verständigung und des Dialogs“ für das Sponsoring der Konzerte ausschlaggebend gewesen seien.

Ist das wirklich nur Naivität oder noch etwas anderes? Wie kann man denn auf die Idee kommen, daß ein Neuköllner Prolo-Rapper, der schon mehrfach mit zutiefst antisemitischen Texten hervorgetreten ist, irgendetwas mit „Verständigung und Dialog“ zu tun haben könnte? Hier einige Zitate aus Songtexten von Massiv: „Mein Satz ist Sprengstoff, meine Hand am Sprengknopf! / Dropkick auf dein Kopf, dein Blut, kein Stopp! / Ihr macht alle Popshit, die Kugel kommt mit Absicht! / Bleiben wir mal sachlich, Geld her und lach nich‘! / Zu heißes Klima, Herkunft Palästina! / Arbeitslos gemeldet, trotzdem kauf ich mir ein‘ Siebener! / Keine Rotation, als wär’ ich Al-Qaida“ (Blut gegen Blut). Oder: „Ich plan’ mit dem Libanesen einen krassen Terrorschlag / komm’ auf euch zu mit ’nem 100-Tage-Bart! / Die Shokker sind gebombt wie das World-Trade-Attentat!“ (Opferfest).

Für wie doof hält denn das Goethe-Institut die Öffentlichkeit, wenn es sich damit herausredet, man habe doch nur für Frieden und Verständigung werben wollen und von der antisemitischen Einstellung des Rappers nichts gewußt? Es wird schon seinen Grund haben, weswegen man jemanden wie Massiv nach Ramallah schickt und nicht etwa, sagen wir, die Band Rosenstolz. Die wären dort wahrscheinlich gesteinigt worden.

Und Markus Löning von der FDP fällt nichts besseres ein, als Massivs „Gewaltverherrlichung“ zu kritisieren und seinen Antisemitismus mit keinem Wort zu erwähnen.

Man muß sich das wirklich einmal vorstellen: Europäische Kulturinstitute und Generalkonsulate finanzieren ein antisemitisches Freudenfest im Westjordanland und verkaufen das als einen Beitrag zu Frieden und Völkerverständigung.

(Ursprünglich erschienen auf WELT Online)


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